Transformation Design
Design ist Konzeptarbeit, Design ist Beratung und Design kann auch die Gestaltung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, kultureller Praktiken oder neuer Lebensmodelle beinhalten. Über das klassische (rein visuelle) Design hinausgehend beschreibt dies das Transformation Design.
Grundlegende Herangehensweisen wie Prototyping und das Begleiten und Gestalten von Veränderungsprozessen, das Identifizieren eigentlicher Kernziele und Fragestellungen hinter zunächst simpel erscheinender Anfragen — von denen der:die Kund:in selbst noch gar nichts weiß — oder das Entwickeln von Lösungen ›outside the box‹ sind quasi im Genpool des:der Designer:in manifestiert.
Design im ganzheitlichen Sinne verfolgt das Ziel, gesellschaftlich relevante Themen eigenständig zu identifizieren, kritisch zu analysieren und durch innovative Lösungen aktiv zu Veränderungsprozessen beizutragen. Wesentlicher Teil dessen ist dabei auch die Entwicklung, visuelle Umsetzung und klare Kommunikation von Konzepten, die auf aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen basieren. Dieses Designverständnis beruht auf einer lösungsorientierten, kontextbezogenen und häufig interdisziplinären Herangehensweise, die sich durch gesellschaftliche Relevanz auszeichnet. Die Kombination von analytischen Methoden mit kreativen und experimentellen Ansätzen ermöglicht ein tiefgreifendes Verständnis komplexer gesellschaftlicher Strukturen. Ziel ist es, differenzierte und nachhaltige Problemlösungen zu entwickeln, die unterschiedliche Perspektiven und Anforderungen berücksichtigen.
Designer:innen agieren heute somit nicht selten als strategische Gestalter:innen gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Ihre Aufgaben gehen oftmals weit über die reine Formgebung hinaus. Erst durch das Identifizieren relevanter Themen und der kritischen Analyse und Entwicklung innovativer Konzepte findet eine ästhetische, als auch kommunikative Umsetzung statt. Der Prozess bleibt dabei oftmals unsichtbar, sodass sich durch den Blick auf das Endergebnis nicht selten nur eine Facette auf das Arbeits- und Handlungsfeld der:die Designer:in ergibt. Dabei setzt die DNA der Disziplin voraus, Gegebenheiten neu zu denken, gesellschaftliche Debatten anzuregen und Alternativen zu vermeintlich alternativlosen Umständen zu entwickeln. Dabei verbinden wir als Designer:innen analytische Methoden mit experimentellen, ästhetischen Ansätzen, um die Vielschichtigkeit moderner Herausforderungen zu erfassen. So entstehen komplexe, maßgeschneiderte Lösungen, die nicht nur funktional, sondern auch kulturell und emotional wirken.
Dieses Verständnis von Design ist tief in einer problemorientierten und kontextbezogenen Denkweise verwurzelt, die oft disziplinenübergreifend arbeitet und immer gesellschaftliche Relevanz anstrebt.
Hieraus speist sich das Transformation Design, das dabei noch einen Schritt weiter geht. Es begreift Gestaltung konsequent von menschlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen her. Der gestalterische Fokus liegt auf Prozessen, Wechselwirkungen und der Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen, Institutionen und der Zivilgesellschaft. Dadurch trägt Transformation Design nachhaltig zur Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft bei, ohne die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus den Augen zu verlieren.
Auch unser Studio setzt einen Schwerpunkt in der Arbeit auf den Bereich Transformation Design. Wie Kakao den Friedensprozess in Kolumbien stärken und ein Festival für Utopien und bewusstes Umdenken Veränderungsprozesse in Gang bringen kann, zeigen unsere Projekte Cacao de Paz und Festival der Utopie im Folgenden.
Mit Cacao de Paz schafften wir 2017 mit unserem ›Transformation Design Collective‹ Komplizenschaften und zettelten im kleinen eine Kakaorevolution an. Das daraus resultierende Social Business durchleuchtete alle Seite des Transformation Designs in der realen Welt anhand von Kakao und Schokolade. What a learning.
Ausgangspunkt waren zwei politische Problemstellungen hinter dem ›Genuss‹mittel Kakao. Zum einen erschütterte uns, dass Kakao häufig unter widrigsten Bedingungen, zum Teil von Kindersklaven, erwirtschaftet wird. Wir finden es problematisch, dass (stand 2017) 60 Prozent der Weltproduktion von Kakao in den Händen von drei Konzernen liegen. Kakao wird in mehr als 30 Ländern angebaut und ist mit fünf Millionen Tonnen im Jahr weltweit ein wichtiges Exportgut. Wir waren angespornt an die Wurzel zugehen und es besser zu machen, richtiger, fairer. Unsere Ambition dabei war aus der gesamte Wert-Schöpfungs-Kette Wert zu schöpfen.
Zum anderen fachte Dr. Uwe Meier, als pensionierter Agrarwissenschaftler und Herausgeber des Buches ›Agrarethik‹ sowie Kopf hinter der Idee ›Friedenskakao‹, unser Interesse an. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit den sozialen und ökologischen Dimensionen der Landwirtschaft und hat an einigen Zertifizierungen mitgewirkt, wie z. B. an den Standards der Rainforest Allianz. Er ist ausgewiesener Experte, der es sich zu diesem Zeitpunkt zur Aufgabe gemacht hatte sich auf die Suche nach dem Friedenskakao zu machen. Weg vom Siegel, dem Misstrauensvotum, das auf Kontrollen basiert, hin zur Partnerschaft, so sein Ziel. Uwe Meier sagte damals zu uns: »Weder Bio noch Fairtrade, sondern besser!«. Uns kribbelte es in den Fingern, dieser Idee eine Form und einen Raum zu geben. Wir waren angetan von der Energie, mit der Uwe Meier sich seiner Suche nach dem Friedenskakao widmete, und freuten uns mit ihm, als er im Dezember 2015, unterstützt durch Vertreter von kolumbianischen Entwicklungshilfeprogrammen, endlich den ›perfekten‹ Kakao aus der Region Caquetá bei den Guardaboques de la Sierra gefunden hat: den ›Cacao de Paz‹.
Kolumbien ist ein von Bürger- und Drogenkrieg gebeuteltes Land. Sowohl Rebellen als auch die Paramilitärs verdienen viel Geld mit dem Drogenhandel und machen so viele Landwirte auf eine gefährliche Art und Weise von ihnen abhängig. Der Anbau von Koka ist lukrativ, aber auch riskant, und die Bauern geraten schnell zwischen die Fronten. Immer mehr Kooperativen haben sich unter immensen Kraftaufwand vom Koka abgewendet und pflanzen stattdessen Kakao an. Kakao aus Dschungelgärten. Hoch biodivers, mehr als es ein ›Bio‹-Zertifikat‹ abbildet (welches wiederum an einen teuren Zertifizierungsprozess gebunden ist). Sie wollen nichts mehr mit den bewaffneten Kämpfern beider Seiten zu tun haben, sondern eine Zukunft für sich, ihre Familien und ihre Gemeinschaft. Diesen Kakao nennen wir Friedenskakao.
Mit unserem Kollektiv waren wir in Kolumbien unterwegs, um Komplizenschaften zwischen den Kleinbauernfamilien und uns bzw. den späteren Konsumenten und Produzenten zu schaffen. Das allein war ein Projekt für sich, das uns durch minenbesetzte Gebiete, über wacklige Hängebrücken und durch den Export- und Unternehmensgründungsdschungel führte.
Unser großen Anliegen in Deutschland war es dem verloren gegangenen Gefühl der Exotik des Kakaos und dem Verständnis von Herkunft und Co. entgegenzuwirken. Sicherlich lag die größte Herausforderung dabei in der Kommunikation. Wir alle sehen Schokolade in unseren Supermarktregalen als selbstverständlich an. Unser Ziel war es den Weg des Kakaos und diejenigen, die daran beteiligt sind, sichtbar zu machen. Es ging um die Vielfalt des Genussmittels, das mehr als Schokolade ist, um den Reichtum an Mythen und Geschichten hinter diesem Rohstoff, um die dahinter verborgenen politischen Aspekte, um Fragen zu Biodiversität und auferlegte Zertifizierungsprozesse, Kleinbauern und vieles mehr. Das war ziemlich komplex. Wir lernten die Kakaobauern und ihre Anbaumethoden kennen, stießen auf Packagingdesign-Herausforderungen bei Lebensmittelverpackungen, entwickelten eine komplette Marke von Null auf (samt Identität, Design und Language), setzen uns mit Vertriebsstrukturen wie Social-Media oder Crowdfundingkamapagnen und Pressearbeit auseinander und zeigten den puren Geschmack der Kakaobohne durch Produkte wie Kakao-Nibs auf oder bekamen einen Einblick in die Feinschmeckersprache der Kakaobubble.
Ein besonderes Highlight war im Juni 2017 der Besuch von Oscar, dem Präsidenten der Guardabosques de la Sierra, der uns durch ein Stipendium und Auszeichnung deren Kakaos zu unserem Release in Deutschland besuchen kam. Ein besonderer Moment für Oscar, der bis dato seine Region in Kolumbien nicht verlassen hatte. Aber vor allem auch ein besonderer Komplizenschaftmoment für uns, war unser Ziel doch mit der Marke etwas an unserem Konsumverhalten und Wirtschaften zu verändern; Direkter Handel im kleinen Rahmen kann mehr sein, als anonyme Globalisierung. Es kann echtes, weltumspannendes Miteinander entstehen. Alle haben ihren Anteil am Gelingen. Allen soll es gut gehen dabei. Wir begeisterten uns für direkte Teilhabe und Transparenz als große Kommunikationschance. Wir wollten die Geschichten aller Beteiligten erzählen und unseren Kund:innen die Möglichkeit bieten, ein Teil dieser kleinen aber feinen Geschichte zu werden. In solchen Momenten, wie den Besuch von Oscar beim Release, wurde die Idee besonders sichtbar. »Cacao is a plant of power!«
Gerne hätten wir möglichst viel der Wertschöpfungskette in Kolumbien gelassen, der Transport des fertigen Schokoladenproduktes stellte aber durch die Temperaturen ein Problem dar. Die Verarbeitung des Rohkakaos zu den Produkten erfolgte daher in Deutschland, in einer kleinen Schokoladen-Manufaktur vor den Toren der Großstadt Berlin. Die Manufaktur begeisterte uns, da sie Schokolade noch wie vor hundert Jahren herstellt, denn nicht immer nutzt der Fortschritt dem Produkt oder den Kund:innen. Es war toll hier eine weitere Komplizenschaft gefunden zu haben, bei einem Unternehmen das für seine Sache brennt und sich für sein Handwerk begeistert. Die Schokolade aus den besonderen Bohnen war toll: Gerösteter Kakao in kleinen Mengen, 50 Stunden mit Naturstein gemahlen, ohne Zusätze, schlicht mit der einzigen Zutat Rohrzucker. Und wir begeisterten die Manufaktur mit dem Qualität des Kakaos, den uns wiederum die Kleinbauernfamilien der Guardabosques de la Sierra lieferten.
Bei Cacao de Paz konnten wir unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Gegebenheiten konsequent denken und leben, was wir richtig finden. Wir schrieben ein Manifest, wir schlemmten, diskutierten und präsentierten unsere Ideen auf Kongressen, Podien und Co. und beendeten, trotz Erfolges, bedingt durch berufliche Gegebenheiten, unsere Journey 2019 mit – wie man so schön sagt – einem lachenden und einem weinenden Auge.
Vier Jahre zuvor (von 2013 bis 2016) waren wir maßgeblich am Festival der Utopie beteiligt. Hier trafen sich fernab des Alltags rund 100 Utopisten und Visionärinnen an einem Nicht-Mehr-Noch-Nicht-Ort, um neue Ideen für die Zukunft der Region zu entwickeln, gemeinsam zu spinnen und Visionen zu gestalten. Das Festival fand erstmalig im September 2013 zum Thema ›Mobilität‹ auf der leerstehenden Hertiebrache in Peine statt. Umliegende vakante Mehrfamilienhäuser wurden zu Unterkünften umfunktioniert und die ehemaligen Ladengeschäfte zu WorkShops. 2015 fand das Festival der Utopie unter dem Motto ›Arbeit‹ in Ilsede statt und 2016 in einer alten Seifenfabrik in Helmstedt. Alles also in der Metropolregion Braunschweig.
Während der Entstehung des Festivals unter der Hand der Allianz für die Region, dem Haus der Wissenschaft Braunschweig und dem Büro von A bis Z, waren wir für die Corporate Identity, das Corporate Design und die Corporate Language beauftragt. Spannend war der prozessoffene interdisziplinäre Ansatz bei der Entwicklung. So stand zu Beginn lediglich fest, dass es eine Art Think Tank für Junge Menschen in der Region geben sollte. Konzept, Naming und Corporate Identity entwickelten sich erst im Verlauf des Prozesses. Damit konnten wir maßgeblich mit den verschiedenen Akteur:innen und damit Disziplinen Hand in Hand gehen. Wir konnten außerdem unsere Erfahrung aus Zwischennutzungsprojekten wie den Projekten ›vorübergehend geöffnet‹ und ›Projekt:Brache‹ vom Designlabor in Bremerhaven sowie dem ›Ein Laden_‹ einbringen und später dann auch Ideen und Maßnahmen aus der langjährigen Workshopkonzeption oder dem Ausstellungsdesign.
Bei der Veranstaltung standen die (noch unentdeckten) Visionen der jungen Utopisten:innen im Vordergrund. Bei einer Abschlusspräsentation (2013 dem Schaubudenrundgang mit anschließendem Discussion-Dinner) wurde diese mit den Entscheider:innen von heute (den sogenannten Strippenzieher:innen) diskutiert. Hier wurden nicht nur Visionen sichtbar und vermittelt was sich junge Menschen für die Zukunft ihrer (Wahl)Heimat wünschen, sondern Entwicklungsprozesse, Zusammenschlüsse zu Projekten und Engagement für die Region in Gang gesetzt. Identifikation mit der Region konnte wachsen, indem Bedürfnisse und Wünsche erfasst, kommuniziert und an die Entscheider:innen von heute weitertragen wurden. Mit Blick auf das politische Weltgeschehen, geprägt von Abgrenzung und dem Gefühl des luftleeren Raumes, des Hintenrunterfallens und der stetigen Präsenz faschistischer Ideologien, war das Projekt mit seinem Bildungs- und Demokratiefördernden Aspekten fast seiner Zeit voraus. Und besonders in der jetzigen Zeit braucht es Projekte wie diese als Gegenpol.
Das Marketingkonzept setzte auf partizipative und somit identitätsstiftende und Neugierde weckende Maßnahmen. Die Bespielung des realen Raums anhand von Mitmachaktionen wie Guerilla-Marketing-Aktionen im Vorfeld des Festivals und ein DIY-Camp zur Szenografie des Festivalgeländes, wurden über soziale Netzwerke wie (damals) Facebook angekündigt, in denen das ›sich beteiligen‹ selbstverständlich war. Beide Realitäten bedingten und mobilisierten sich gegenseitig und schufen somit nicht nur Aufmerksamkeit, sondern vermittelten auch ein Gefühl davon, was das Festival der Utopie war und wollte. Wir bedienten uns der ›share economy‹, dem Gedanken des ›open-source‹ und der etwas bewegenden ›crowd‹ und machten uns diese Grundgedanken nicht nur für das Festival selbst, sondern auch für dessen Bekanntmachung zu Nutze. Beim Thema Zukunft ist Nachhaltigkeit im doppelten Sinne unumgänglich. So spielt dieser Begriff im gesamten Festivalkonzept, sowohl was das Festival selbst betraf, als auch was das Festivalmarketing anging, eine große Rolle. In diesem Sinne wurden unter anderem Konzepte entwickelt, die eine unnötige Anzahl von Druckmedien z. B. Flyern entgegenwirkten, eine mehrfache Verwendung von produzierten Dingen vorsahen und bewusst auf sowohl eine regionale als auch nach höchsten Standards umweltfreundliche und klimaneutrale Produktion der Druckerzeugnisse Wert legten.
Wir setzten bei den Werbemitteln auf die besonderen Gegebenheiten der Region. So zeichnet sich diese durch ein besonders gut funktionierendes Netzwerk aus. So wurde auf das bekannte Prinzip des Kettenbriefes zurückgegriffen und, in Anlehnung an die Mobilitätsthematik (Festivalthema 2013), die ›Flyerkarawane‹ entwickelt. Hierfür entstanden zehn verschiedene Flyermotive, die in einem Paket zusammen mit einem Anschreiben an eine:n ›Karawanenführer:in‹ versendet wurden. Diese:r konnte sich dann einen Flyer aussuchen und den Rest an potenzielle Utopist:innen, interessierte Freund:innen oder Arbeitskolleg:innen weitergeben. So reiste die Karawane durch die Region. Der Vorteil lag vor allem darin, dass man nicht nur direkt das richtige Publikum erreichte, sondern auch die Chance erhöhte, dass sich durch persönliche Empfehlung intensiver mit dem Flyerinhalt auseinander gesetzt wurde. Das Flyerpaket wurde von einem mit dem Logo bedruckten Gummiband zusammengehalten, das später nicht nur zum Festivalbändchen wurde, sondern auch zur Kennzeichnung der Trinkbecher genutzt wurde und zu guter Letzt auch nach dem Festival als Erinnerungsstück im Haushalt Verwendung finden konnte. So lebte der Gedanke des Festivals auch darüber hinaus im Alltag weiter. Neben den Flyern wurden im Stadtraum der Region Aufhänger mit Gedanken verteilt, die den üblichen Flyer ablösten und zusätzlich auf das Festival aufmerksam machten. Für die Plakate war zunächst eine möglichst großformatige Bewerbung vorgesehen, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen. Da dies in dem kurzen Zeitfenster nicht mehr möglich war, fiel die Entscheidung darauf, statt der üblichen einzelnen DIN A1 Plakate, eine Serie zu entwickeln, die man – wenn der Platz es hergab – zu einem großen Plakat zusammenhängen konnte. Jedes Plakat funktionierte aber auch separat und konnte sowohl auf großer, als auch auf kleiner Fläche genutzt werden. Hinzu kamen noch ein duzend weitere Medien zur Bewerbung und Durchführung des Festivals wie einer Dokumentation in Form eines Magazins.
Bei der Entwicklung des Corporate Design stellten wir uns die Fragen wie etwas utopisch und/oder fantastisch erscheint. Und wir es schaffen konnten Neugierde zu wecken und zum Nachdenken anzuregen. Die Herausforderung lag vor allem darin, das neue und für Außenstehende vollkommen unbekannte Format in seiner Andersartigkeit zu kommunizieren, bekannt zu machen und junge Menschen für eine Teilnahme am Festival und Engagement für die Region zu begeistern. Da bei jedem Festival ein anderes Thema im Fokus stehen sollte, sollte das Erscheinungsbild so flexibel gestaltet sein, dass sich damit verschiedene Themengebiete abbilden lassen konnten.
Wir entwickelten lose, zukünftig variierende Elemente, die als Spielsteine dienten und dazu eng gefasste Spielregeln. Dies ermöglichte uns Spielraum zum experimentieren. Bild, Schrift, Farbe, Stimmung und Sprache fügten sich zu einer Erscheinung zusammen und gaben so dem Geist des Festivals Körper und Seele. Entstanden ist eine nachdenkliche, verträumte, sphärische, kreative und spielerisch visuelle Sprache, die sowohl das Thema Utopie, als auch den Charakter eines Festivals und das besondere, neue und andersartige Format verkörperten konnte. Gespielt wurde mit auf den Kopf gedrehten oder rückwärts geschriebenen Worten sowie Wort- und Bildneuschöpfungen. Die Bildcollagen beinhalteten dabei immer die gleichen Versatzstücke, die sich zu unterschiedlichen Motiven zusammenfügten und innerhalb der Spielfläche ein futuristisches Etwas bildeten. Die Elemente – eine Wolke, in dessen Dunst eine Person aus einer scheinbar vergangenen Zeit mit einem futuristisch wirkendem Objekt agierte – verbanden sich mit einem Begriff, dessen Bedeutung viel Raum für Assoziationen offen ließ. Hier vereinte sich der Moment der Nostalgie mit dem Moment des Visionären. Ein Rahmenelement, das nicht zuletzt auch für das Logo genutzt wurde, gab der Szenerie Halt und definierte den Schauplatz, der sich, getragen von einem farbigen Verlauf, irgendwo im Nirgendwo abspielte. Zehn Farbverläufe, die immer in Kombination mit einer festgelegten Objektfarbe auftauchten und für die Atmosphäre des ganzen Gebildes dienten, ließen ein umfangreiches Farbklima entstehen, welches trotz des weitgefächerten Farbspektrums durch die Art der Verläufe direkt mit dem Festival verknüpft war. Die Verwendung weißer Typografie vor farbigen Hintergrund erzeugte Leichtigkeit, die nicht zuletzt auch durch die Wolke verkörpert wurde und das Ganze wie ein Traumbild wirken ließ.
Während des gestalterischen Prozesses, wurde parallel eine Corporate Language entwickelt, die in der Corporate Identity eine zentrale Rolle einnahm und den Charakter der Veranstaltung auch verbal vermittelte. Mit Wortneuschöpfungen bekamen die Bildkompositionen Titel, die zum Nachdenken anregten, gleichzeitig jedoch nichts verrieten. Sie wurden zur Interaktion mit dem Betrachter genutzt und vermittelten den Teilnehmenden nicht zuletzt den Möglichkeitsraum, den das Projekt bot; ausdrücklich rumspinnen zu dürfen. »Kann man eigentlich auf einem Gedankenkraft-Triebwerk fliegen und eine Spinnerei-Kapsel schlucken?« Und »wie wäre es, wenn wir sträwkcür denken könnten?« Es sollten keine Hürden für absurde Gedanken aufgebaut werden, um das Interessante hinter diesen Gedanken für die Utopien nutzen zu können. Die visuelle Erscheinung ging also mit Vorbildfunktion voraus, zeigte wie es gehen konnte und bot dennoch den Freiraum seinen eigenen Kopf zu benutzen.
Im Themenkomplex des Transformation Designs bilden stadtgestalterische Fragestellungen und Belange ebenfalls eine zentrale Rolle. Nicht selten werden hier Entscheidungen von oben getroffen, die am Ziel vorbeigehen. Beteiligungsformate, Konzept- und Lösungsideen sowie Kommunikationsmaßnahmen können mit den Mitteln des Transformation Designs begleitet werden und einen Weg ebnen, der eine stärkere Identifizierung ermöglicht und Lösungen findet, dessen Fragestellungen bis dato noch nicht sichtbar waren und dabei prozess- und nicht zielorientiert arbeiten. Diese Formate in stadtgestalterischen Fragen zu nutzen, ob Spielplatzgestaltung oder dem Sammeln und Umsetzen von Ideen für die zunehmend verwaisten Innenstädte, ist daher ein sinnvoller Ansatz.
Ein Beispiel für die Nutzung des Transformation Designs im stadtgestalerischen Fragestellungen ist hierbei unser Projekt EIN LADEN _ aus dem Jahr 2012, in dem es in unserem Extrablatt Partizipative Stadtentwicklung geht.